Urlaub & Freizeit

Fahrgastrechte im Zugverkehr

Quelle: ERGO Group

Welche AnsprĂŒche Bahnreisende bei VerspĂ€tungen und AusfĂ€llen haben

Egal ob auf GeschĂ€ftsreise, Familienbesuch oder dem Weg in den Urlaub: VerspĂ€tungen und ZugausfĂ€lle gehören fĂŒr Bahnreisende fast schon zum Alltag – und sorgen fĂŒr viel Frust. Besonders dann, wenn wichtige Termine ins Wanken geraten. Welche Rechte Reisende dann haben und was sie im Fall der FĂ€lle tun können, weiß Sabine Brandl, Juristin der ERGO Rechtsschutz Leistungs-GmbH.

60 Minuten sind zu viel: Welche Rechte haben Reisende, die die Fahrt abbrechen?

FĂŒr Reisende ist es immer wichtig, ihre gesetzlichen Fahrgastrechte zu kennen. Ist schon bei der Abfahrt oder infolge eines Zugausfalls absehbar, dass sie mindestens 60 Minuten verspĂ€tet am Ziel ankommen, können sie zwischen drei Möglichkeiten wĂ€hlen: Möglichkeit 1 ist die Erstattung des vollen Fahrpreises innerhalb von 30 Tagen fĂŒr den nicht mehr durchgefĂŒhrten Teil der Reise – oder fĂŒr die ganze Reise, wenn diese durch die VerspĂ€tung sinnlos geworden ist. Ergibt sich das Problem bei einem Zwischenstopp, kann der Bahnfahrer auch eine RĂŒckfahrt zum ersten Ausgangspunkt verlangen. Möglichkeit 2 ist die Fortsetzung der Fahrt, ggf. mit geĂ€nderter StreckenfĂŒhrung, zur nĂ€chsten Gelegenheit. Möglichkeit 3 ist die Fortsetzung der Reise zu vergleichbaren Bedingungen zu einem spĂ€teren Zeitpunkt.

Wer trotzdem weiterfÀhrt, kann einen Anspruch auf EntschÀdigung haben

Reisenden, welche die Fahrt fortsetzen und die Fahrpreiserstattung nicht in Anspruch nehmen, steht bei VerspĂ€tungen von mindestens 60 Minuten eine EntschĂ€digung von 25 Prozent des Ticketpreises zu. „Verzögert sich die Ankunft um mindestens 120 Minuten, zahlt das jeweilige Bahnunternehmen sogar 50 Prozent zurĂŒck“, erklĂ€rt Sabine Brandl, Juristin der ERGO Rechtsschutz Leistungs-GmbH. „Diese Rechte gelten ĂŒbrigens auch bei Streiks oder schlechtem Wetter.“ Einzig in Ausnahmen wie einer Verschuldung durch Dritte, extremen Witterungsbedingungen, Naturkatastrophen, PolizeieinsĂ€tzen, NotfĂ€llen im Zug oder Sabotage zahlt das Bahnunternehmen keine EntschĂ€digung. Gleiches gilt beispielsweise auch bei UnfĂ€llen im BahnĂŒbergangsbereich und NotarzteinsĂ€tzen am Gleis, wenn diese nicht vom Bahnunternehmen zu verantworten sind. Reisende enthalten keine EntschĂ€digung, wenn Ihnen schon vor dem Ticketkauf Informationen zur VerspĂ€tung zur VerfĂŒgung standen. Keine EntschĂ€digungsbetrĂ€ge gibt es, wenn der Betrag unter vier Euro liegt.

Ausnahmen gelten fĂŒr Zeitkarten

Besondere Regelungen gelten fĂŒr Zeitkarten. Auch hier bekommen Reisende eine EntschĂ€digung, allerdings richtet sich deren Höhe nach den EntschĂ€digungsbedingungen des Bahnunternehmens. So erhalten zum Beispiel bei der Deutschen Bahn Inhaber einer Bahncard 100 bei VerspĂ€tungen von mindestens 60 Minuten in der Zweiten Klasse eine pauschale EntschĂ€digung von 10 Euro. Es gibt maximal 25 Prozent des Zeitkartenwertes als EntschĂ€digung.

Diese Fristen gilt es zu beachten

FĂŒr das Einreichen von Beschwerden gilt nach der EU-Fahrgastrechteverordnung offiziell eine Frist von drei Monaten. Viele Bahngesellschaften rĂ€umen allerdings eine Kulanz von bis zu einem Jahr ein. Trotzdem empfiehlt es sich, AnsprĂŒche möglichst schnell und innerhalb der Dreimonatsfrist geltend zu machen. Die Formulare fĂŒr EntschĂ€digungsantrĂ€ge gibt es auf der Internetseite des Betreibers oder direkt beim Bordpersonal, bei der Deutschen Bahn auch in Reisezentren. „Wichtig ist, alle Belege zur Fahrt gut aufzubewahren“, rĂ€t Brandl.

Weiterfahrt mit anderen Verkehrsmitteln

Kommt es zu Verzögerungen der Ankunft von mindestens 20 Minuten oder ZugausfĂ€llen, entfĂ€llt zum Beispiel bei der Deutschen Bahn automatisch die Zugbindung. „Reisende im Nahverkehr können dann einen beliebigen anderen Nahverkehrszug des Unternehmens nutzen. Wer in einen höherwertigen Zug wie einen IC oder ICE umsteigen möchte, muss sich jedoch ein anderes Ticket kaufen“, erlĂ€utert die Juristin. „Die Kosten können sich Betroffene beim Servicecenter fĂŒr Fahrgastrechte erstatten lassen.“ Dies gilt jedoch nicht fĂŒr stark ermĂ€ĂŸigte Fahrkarten wie das Deutschland-Ticket oder spezielle LĂ€ndertickets. Hier mĂŒssen Reisende die Mehrkosten selbst tragen. „Wer mit einem Fernverkehrs-Ticket unterwegs ist, kann beim Wegfall der Zugbindung mit diesem Ticket auf alle DB-Fernverkehrs- oder NahverkehrszĂŒge umsteigen“, weiß Brandl. Auch Taxikosten ĂŒbernimmt die Bahn unter UmstĂ€nden. Wenn der letzte Zug des Tages ausfĂ€llt oder die Ankunft sich zwischen Mitternacht und fĂŒnf Uhr morgens um mindestens 60 Minuten verspĂ€tet, erstattet die Bahn bis zu 120 Euro der Taxikosten. „Dieser Schritt bedeutet zwar zunĂ€chst eine Vorauszahlung, erspart aber lĂ€stige Wartezeiten“, ergĂ€nzt die ERGO Expertin. Betroffene sollten den Taxifahrer unbedingt nach einer Rechnung fragen. Voraussetzung der Erstattung ist, dass die Bahn kein anderes Verkehrsmittel zur VerfĂŒgung stellt und dass kein Kontakt zum Unternehmen möglich ist.

Betreuung und Unterbringung bei lÀngeren AusfÀllen

Stranden Reisende fĂŒr eine lĂ€ngere Zeit am Bahnhof, mĂŒssen Bahnunternehmen UnterstĂŒtzung leisten: Bereits ab einer Stunde Wartezeit oder bei einem Zugausfall muss die Zuggesellschaft kostenlos Mahlzeiten und Erfrischungen in einem angemessenen VerhĂ€ltnis zur Wartezeit bereitstellen, soweit diese im Zug oder am Bahnhof verfĂŒgbar sind oder sich die Lieferung noch zu vernĂŒnftigen Kosten durchfĂŒhren lĂ€sst. „Dies ist kein freiwilliger Service, sondern ein in der EU-Verordnung ĂŒber Fahrgastrechte klar geregelter Anspruch“, erklĂ€rt Brandl. LĂ€sst sich die Fahrt am selben Tag nicht mehr fortsetzen, muss das Bahnunternehmen die Hotelkosten inklusive Fahrt dorthin ĂŒbernehmen – je nach Umstand sogar fĂŒr bis zu drei NĂ€chte. Hier ist es wichtig, die Übernachtung vorher mit der Zuggesellschaft abzustimmen.

Praktische Tipps und Must-haves fĂŒr den Fall der FĂ€lle

Vorbereitung ist alles, besonders bei einer langen Bahnfahrt: Eine geladene Powerbank hĂ€lt das Smartphone auch bei stundenlanger Verzögerung oder gar Stromausfall im Waggon funktionstĂŒchtig, sei es fĂŒr die digitale Fahrplanauskunft, die Fahrgastrechte-App, Erreichbarkeit im Notfall oder eine Streaming-App fĂŒr den Zeitvertreib. Auch Kopfhörer, Kartenspiele, eine Wasserflasche und ein kleiner Snack im GepĂ€ck können einen Unterschied machen – vor allem fĂŒr Reisende mit Kindern. Und sollte es doch zu einem Totalausfall des Zuges kommen, gilt: Ruhe bewahren und gezielt handeln. „Wer seine Rechte kennt, reist auch bei Störungen souverĂ€ner und kommt am Ende sicher ans Ziel“, resĂŒmiert Brandl.

Quelle: ERGO Rechtsschutz Leistungs-GmbH